Text von Cornelia Wille / Eigentümerin des CreativHauses Steinheim
Nach meiner Firmeninsolvenz im Jahre 2005, die mich einige recht schwierige Jahre und viel Kummer im Leben gekostet hat, stand ich 2012 vor der Entscheidung, was ich mit meinem im Rahmen des Verfahrens als “unverwertbar und wertlos” eingestuften, übrig gebliebenen, von Mietern total verwohnten und verwarlosten Haus in Steinheim machen soll. Zu dieser Zeit hatte ich mir schon lange ein neues Zuhause und meinen Arbeitsmittelpunkt in Blomberg aufgebaut.
Ich gebe zu: Auch wenn es nur ein altes Bauernhaus ist, ich mag dieses Haus und hänge daran. Darum bin ich damals auch weggezogen, als es mit der Inso losging. Ich wollte davon nichts mitbekommen, dass es versteigert oder verkauft wird – und damit hatte ich natürlich auch fest gerechnet. Wer rechnet schon damit, dass ein Haus einfach “übrigbleibt”? Und man mitgeteilt bekommt, “tja…es gehört immer noch dir”.
Als die letzten Mieter ausgezogen und mir einen riesigen Messihaushalt zurück gelassen hatten, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Leerstehen lassen? Vermieten kam nach den letzten Mietererfahrungen nicht mehr in Frage. Das hatte ich eigentlich auch nur gemacht (nachdem das Haus als unverwertbar aus der Insolvenzmasse herausgenommen wurde, der Verwalter hatte keinen Bock mehr auf Mieter), um mit der Miete die Insolvenz bedienen zu können und damit das Haus keinen Kostenfaktor darstellt (wie es im Insolvenzrecht gefordert ist). Also was tun? Selber einziehen wollte ich damals nicht, dazu saß der ganze Stress der Vorjahre noch zu tief. Dann kam, mit Freunden zusammen, DIE Idee:
Wir machen daraus ein Gemeinschaftshaus! Als Treffpunkt, für Veranstaltungen, für Gruppen, Vorträge, für Musik, Kultur und Kunst. Als Anlaufpunkt für naturheilkundliche und alternative Gesundheitsvorsorge. Ideen waren da genug! Und genau das haben wir dann auch gemacht. In wochenlanger Eigenarbeit haben wir das Haus entrümpelt, repariert, renoviert, neu eingerichtet. Und wir waren mega stolz und glücklich, als wir dann das erste Mal für die Öffentlichkeit unsere Türen geöffnet haben, unsere ersten zahlreichen Besucher total begeistert waren und wir Anfangs sogar noch vom Dorfarchivar tatkräftige Unterstützung für unsere Idee bekamen.
2012, nach meiner endgültigen Restschuldbefreiung, bin ich dann auch mit meiner Praxis wieder in das Haus eingezogen und kurz darauf auch selbst. Seit dem habe ich mit vielen, vielen verschiedenen Menschen so viele tolle Veranstaltungen in dem und mit dem Haus gemacht, so viele wunderbare gemeinschaftliche Momente erlebt, so viele tolle Menschen kennenlernen dürfen, dass es mir nie etwas ausgemacht hat, eigentlich nicht mal einen eigenen Wohnraum und auch nicht gerade im Luxus gelebt zu haben. Für mich war es in den letzten Jahren das Größte und Beglückendste, dieses Haus mit anderen zu teilen und etwas daraus zu machen, etwas, das Menschen zusammenbringt, Kunst, Musik und Austausch ermöglicht und einfach nur Freude macht.
Dann der Schock: Jahre später taucht die Bank wieder auf und droht mit Zwangsversteigerung. Große Ratlosigkeit. Dürfen die das? Zum Zeitpunkt der Restschuldbefreiung hat mir niemand etwas davon gesagt, dass so etwas passieren könnte. Auf damalige Anfrage beim Amtsgericht nur :“Das gehört jetzt wieder Ihnen”. Natürlich sofort Rückfragen bei verschiedenen Anwälten, die nur Geld gekostet haben, aber keine klare Antwort hatten. Ich solle doch abwarten, ob was passiert. Na toll.
Im Juni diesen Jahres war es dann soweit: Antrag zur Zwangsvollstreckung. Und endlich haben wir in Hessen (!!) dann einen Anwalt gefunden, der sich mal die Mühe gemacht hat zu gucken, was denn da los ist (mein ehemaliger Insolvenzanwalt, sowie eine ehemalige Anwältin seiner Kanzlei, die mittlerweile bei uns in der Nähe tätig ist, hat dazu übrigens jede Stellungnahme verweigert…).
Dann der zweite Schock: Ja, die dürfen. Weil das Haus als “unverwertbar” aus der Insolvenzmasse herausgenommen wurde (eher, weil mein InsoVerwalter “keinen Bock mehr hatte, sich um Mieter zu kümmern, die nur Ärger machen”, so hat er es wortgenau gesagt…) fällt es nicht unter die Restschuldbefreiung. Und so haftet das Haus für alle Grundbuchschulden (nicht ich, sondern alleinig das Haus)– die natürlich alle noch aus Insolvenzzeiten in voller Summe drin stehen. Sprich: Alle Gläubiger im Grundbuch können versteigern und „verwerten“ bis zum SanktNimmerleinsTag. Einigung?? Völlig illusorisch. Dafür könnte ich mir vier Häuser dieser Art anschaffen, alles was ich schon gezahlt habe, zählt weitestgehend nicht mehr. Also bleibt keine andere Wahl. Ich muss es zur Versteigerung kommen lassen.
Ausgerechnet in diesem Jahr, in dem Corona eigene Rücklagen fast auf Null geschrumpft hat. Was tun? Aufgeben? Einfach wieder wegziehen? So wie damals? Mich selbst betrifft es ja nicht mehr. Oder darum kämpfen? Um all der wunderbaren Dinge wegen, die ich und andere in den letzten Jahren hier mit so viel Herzblut umgesetzt haben, um des “CreativHauses” wegen, das für so viele Menschen immer ein wunderbarer Ort des Zusammentreffens war, das so viele Menschen, sei es als Klient unserer Praxis, als Konzert- Vortrags- Gruppentreffen- Seminarteilnehmer oder Ausstellungsbesucher in schöner Erinnerung haben? Darum kämpfen, weil natürlich auch die Gefahr besteht, dass dieses alte und charmante Haus nach möglicherweise erneutem Leerstand, wie so viele andere Häuser in der Umgebung, einfach abgerissen wird.
Nein – es geht mir ganz sicherlich nicht nur um einen Umzug, sondern um ganz andere Dinge, um so sehr viel mehr.
Wir, ich, alle, denen das CreativHaus am Herzen liegt, haben uns für’s kämpfen entschieden – in dem Bewusstsein, dass wir das natürlich nicht alleine können. Aber wir wollen nichts unversucht lassen. Das würden wir uns dann wohl ewig vorwerfen.
Es klingt nach einem schönen und spannenden Ort der Begegnung. Ich wünsche euch, dass das Haus erhalten bleibt, und mir selbst wünsche ich, dass ich auf der nächsten Durchreise vielleicht doch einmal die Gelegenheit bekomme, reinzuschauen. Mein letzter Kontaktversuch war vermutlich zu kurzfristig (oder als E-Mail die falsche Wahl), sodass nichts draus wurde.
Ich wünsche euch viel Erfolg!